Time Out im Tiny House
No°3
Schon lang bin ich fasziniert vom Leben in einem Tiny House. Vor einiger Zeit bekam ich dann die Gelegenheit ein solches Minihaus zu bewohnen. Meine Eindrücke dazu habe ich in einem Artikel für Lilli Green festgehalten:
Es ist gerade heiß in Berlin und ich kämpfe mich ächzend raus aus der völlig stickigen Hauptstadt. In nur zwei Stunden werde ich in Wredenhagen sein, einem Ort in Mecklenburg-Vorpommern, der nicht einmal 500 Einwohner zählt. Hier wartet mein erster Aufenthalt in einem Tiny House auf mich. Wie viele Jahre verfolge ich schon die wachsende Bewegung auf sämtlichen Kanälen mit, kann mich an Bildern auf Instagram nur schwer sattsehen und fantasiere insgeheim schon davon eines Tages vielleicht sogar dauerhaft in einem zu leben. Kurzum: mein Besuch in einem Tiny House wurde allerhöchste Zeit.
Kontrast pur: Idylle is calling
Gemeinsam mit einer Freundin mache ich mich also auf den Weg. Erste Google-Recherchen lassen schon erahnen, dass dieser kleine Trip, das totale Kontrastprogramm zu meinem eigentlichen Wohnort Berlin sein wird. Im Südwesten der Mecklenburgischen Seenplatte also Nähe der Müritz, scheint die pure Idylle auf uns zu warten. Und tatsächlich, schon beim Betreten des kleinen Hofgeländes, das insgesamt vier unterschiedliche große Tiny Houses beherbergt, kann ich nicht anders als mir sofort die Schuhe von den Füßen zu streifen und die letzten Meter barfuß durch das Gras zu meinem neuen winzigen Kurzzeit-Zuhause zu bestreiten. Eben noch im hektischen Berlin gewesen, setzt hier der Wohlfühleffekt direkt bei Sekunde 1 ein. Herrlich!
Mehr tiny, weniger Besitz
Es folgt ein für mich einzigartiger Moment: wir betreten unser Tiny House. Ich kann nicht verleugnen, dass ich eine gewisse Alice-im-Wunderland-Erwartung habe. Denn trotz meiner eigenen eher geringen Größe von gerade einmal 1,56 m, befürchte ich, dass ich mich ein wenig wie in einem Schuhkarton fühlen werde. Doch Fehlanzeige, so „tiny“ wie es der Name meint, ist es kein Stück. Im Gegenteil, diese insgesamt 27 Quadratmeter Nutzfläche (verteilt auf 2 Etagen) erscheinen mir als die größten, sinnvoll genutzten 27 Quadratmeter, die ich je gesehen habe. Vom Bad mit Dusche über mehrere Schlafmöglichkeiten bis hin zu einer gut ausgestatteten Küche, mangelt es dieser Art der modernen Unterkunft meinem Empfinden nach an nichts. Kein Gefühl der Beklemmung. Es ist weder zu luxuriös, noch zu spartanisch. Bin ich doch mit der Einstellung hergekommen, mich mal wieder daran zu erinnern, dass es nicht viele Dinge im Leben braucht, um zufrieden und glücklich zu sein. Zuhause in Berlin habe ich – zum Vergleich – mehr als das Doppelte an Fläche zur Verfügung – doch brauche ich diese wirklich (noch)?
Ein Erlebnis, das sich nicht teilen lässt
Die eigentliche Bewährungsprobe in solch einer außergewöhnlichen Unterkunft ist jedoch immer die erste Nacht. Klassisch befinden sich die Schlafstätten in einem Tiny House auf einer eingezogenen Decke als eine Art 1. OG. Da ich einen typischen Berliner Altbau gewohnt bin und 2-3 Meter „freie Höhe“ über mir mittlerweile als vollkommen normal empfinde, rechne ich damit, dass mich eine knappe Armlänge bis zur Decke über Nacht unbewusst ein wenig in Bedrängnis bringen wird. Doch auch hier irre ich mich – glücklicherweise! Mein Schlaf war so gut wie schon lange nicht mehr. So freudig wie ich also am Abend zuvor ins Bett gegangen bin, erwache ich am nächsten Morgen. Es hält mich Nichts im Bett und so tapse ich – aufgeregt wie ein kleines Kind – barfuß und noch im Schlaf-Dress auf den grünen Rasen, der sich direkt vor der Haustür erstreckt. Begeistert mache ich mit meinem Smartphone Bild um Bild. Doch eigentlich weiß ich schon während ich das tue, dass kein digitaler Schnappschuss und auch kein Filter dieser Welt, das Gefühl vermitteln können, welches ich in diesem Moment verspüre. Und dabei ist die Landschaft um mich herum sowie das Tiny House nur auf das Wesentliche reduziert: Feld, Wald und Wiese. Es ist schlicht und doch so faszinierend. Genau wie auch die Outdoor-Dusche, die ich ebenfalls zum allerersten Mal in meinem Leben benutze. Es ist ein vermeintlich unspektakuläres Erlebnis, doch für mich der perfekte Kickstart in den Tag. Wie gesagt, es braucht eben nicht viel…
An alles gedacht
Doch nun zum Tiny House selbst. Es ist nicht viel Platz, ja. Es ist winzig, oh ja. Aber es ist doch groß genug um allen Basisanforderungen eines Zuhauses gerecht zu werden. Von Beginn an kann ich keine Nachteile entdecken: etwas zu verlegen oder gar zu verlieren, fällt hier schwer, denn Übersicht ist im wörtlichen Sinne von Haus aus gegeben. Über smarte Lösungen wie Schränke, die in die Treppe integriert sind, kann außerdem einiges verstaut werden. Und es ist sogar möglich bis zu fünf Gäste einzuladen, denn zwei eingezogenen Decken sowie ein Schlafsofa bieten reichlich Platz. Auch wenn das Tiny House dann vermutlich wirklich an seine Grenzen stößt.
Ich komme wieder
Wer denkt, dass ein Tiny House nur die stabilere Version eines Zelts ist und sich dieses vorwiegend nur im Sommer nutzen lässt, der irrt. In unserem Tiny House befindet sich auch ein Kamin für die kalten Wintermonate. Und um ganz ehrlich zu sein, ist der nächste Aufenthalt schon so gut wie gebucht, denn auch diese Erfahrung zur kalten Jahreszeit möchte ich herzlich gern und voller Vorfreude mitnehmen. Bis es soweit ist werde ich meinen eigenen Besitz noch ein wenig überdenken…