Zirkuläres Bauen & Einrichten
No°19
Die Bauwende wird medial viel thematisiert, doch wirklich zu wenden scheint sich nur wenig. Zum Glück gibt es innerhalb der Branche bereits einige Bewegungen, Überlegungen und Unternehmen, die fokussiert nachhaltige, innovative Wege gehen – und das mit Erfolg! Einige Ansätze und Brands durfte ich in einem Beitrag für FOGS portraitieren.
„Es war dieser eine Augenblick im Jahr 2019“, erinnert sich Sven Urselmann. „Ich bin damals mit ‘Fridays for Future‘ auf die Straße gegangen und schnell wurde mir dabei klar: Wir müssen etwas ändern.“ Sein Fleischkonsum war zu diesem Zeitpunkt bereits reduziert, der Verbrauch von Plastiktüten ebenso. Statt mit dem Auto ging es überwiegend per Zug auf Reisen und auch auf gebrauchte Kleidung war Urselmann bereits umgestiegen. Noch zu wenig, urteilte er damals kritisch: „Wir müssen zu einer gänzlich anderen Art und Weise kommen, wie wir nicht mehr unendlich Rohstoffe vom Planeten extrahieren und später einfach wieder wegwerfen. Ich begann mich und mein Unternehmertum zu hinterfragen, wie ich Dinge in und mit meinem Unternehmen in Zukunft anders machen kann, wenn ich doch Teil des Bausektors und damit auch Teil des Problems bin“, sagt er und spielt damit auf die enormen Emissionen und die Ressourcenverschwendung in der Branche an. Im gleichen Jahr gründete der gelernte Tischler, der zuvor zehn Jahre lang als Projektleiter in verschiedenen Positionen im Innenausbau für Generalunternehmer gearbeitet hatte, Urselmann Interior.
Design & Build
Schon bald folgte ein entscheidender Moment in der noch jungen Firmengeschichte: 2020 wurde man auf das Cradle-to-Cradle-Prinzip aufmerksam, also der Idee, dass alle beim Hausbau eingesetzten Materialien wieder zu 100 Prozent demontierbar und recycelbar sind, wodurch ein geschlossener Rohstoffkreislauf entsteht. Was bleibt, sind nutzbare Wertstoffe statt unsägliche Müllmengen. Um ihre frischen Ambitionen zu untermauern bauten sie, damals noch zu zweit, ihr erstes eigenes Büro in Düsseldorf, das Circular Office. Mittlerweile ist das Team auf acht Personen gewachsen, darunter mehrere (Innen-)Architekt:innen. Gemeinsam hat man sich der Idee von echter Nachhaltigkeit in der Einrichtung verschrieben: „Wir haben den gesam-ten Prozess beim kreislaufgerechten Gestalten und Bauen bei uns“, erklärt Urselmann eine weitere Säule seines Unternehmens. Beim Konzept Design & Build werden die beiden traditionell getrennten Bereiche, Bauplanung und Ausführung, gebündelt und liegen damit nur noch in der Verantwortung eines einzelnen Unternehmens. Somit gibt es vom Erstgespräch bis zur schlüsselfertigen Übergabe eine:n einzige:n Ansprechpartner:in. Dies bringt eine optimierte Kommunikation, minimierte Projektrisiken sowie Zeit- und Kostenersparnisse mit sich.
Der Entwurf folgt der Verfügbarkeit
Wo es einst beim Bauhaus-Stil noch Form follows function hieß, gilt heute der Leitsatz Design follows availability. Und so schaut man bei Urselmann Interior stets, welche Re-use-Materialien gerade verfügbar sind. Interessant sind dabei vor allem der Objektbestand sowie die Baumaterialien, welche unbedingt weiter verwendet werden sollten. Erst vor Kurzem habe man 80 Tonnen Massivholz aus einem alten Supermarkt gerettet oder, wie man bei Urselmann Interior sagt, geerntet (ähnlich dem Prinzip Urban Mining), mit zwei Sattelzügen abgeholt. „Nun überlegen wir bei jedem Projekt, dass wir davon noch 20 Tonnen Fichte und Tanne übrig haben und daraus Möbel bauen können. Und so folgt unser Entwurf eben der Verfügbarkeit“, erklärt Urselmann. Wie gut, dass er und sein erfahrenes Team in diesem Jahr ihren eigenen Bauwendehof gegründet haben, wo sich nun das Materiallager befindet und die wiederverwendbaren Baustoffe gemeinsam mit Tischlermeister:innen in den jeweiligen Projekten eingesetzt werden. Nach jedem Projekt bilanzieren sie außerdem, wie viele CO2-Emissionen sie konkret gespart haben und wie viele Tonnen Ressourcen nicht abgebaut wurden.
Höchste Zeit für Veränderung
Laut statistischem Bundesamt betrug das Abfallaufkommen in Deutschland im Jahr 2019 rund 416,5 Millionen Tonnen. Davon machten die Bau- und Abbruchabfälle mit einem Anteil von 55,4 Prozent, sprich 230,9 Millionen Tonnen, den Großteil des Gesamtaufkommens aus. Es ist also höchste Zeit, dass sich im Wirtschaftssektor etwas verändert. Die zirkuläre Bauweise scheint eine wichtige und geradezu naheliegende Lösung für das enorme Dilemma der Branche zu sein. Doch was ist mit zirkulärem Bauen überhaupt gemeint? Hierbei werden im Sinne der Kreislaufwirtschaft Gebäude und Baumaterialien so lange wie möglich genutzt, angepasst, umgebaut und schließlich wiederverwendet. Mit dem Erhalt, der Aufwertung und der erneuten Aktivierung soll entsprechend vermieden werden, dass zu viele Baustoffe weggeworfen und abermals neue Materialquellen erschlossen und im selben Zug Baustoffe aufwendig produziert werden müssen.
Rohstofflager statt Schutthafen
Die konventionelle Bau- und Immobilienwirtschaft gehört also längst auf den Prüfstand. Bislang wurde bevorzugt verklebt, verleimt, verspachtelt, vergossen und damit ein untrennbares Materialgefüge geschaffen, welches später als Gebäude nur noch abgerissen und schließlich auf der Deponie entsorgt werden konnte. Beim nächsten Hausprojekt schien dann ein Neubau stets …
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